Aromatherapie bei psychischen Belastungen

Wie kann Aromatherapie Menschen in psychischen Krisen helfen? In vielen psychiatrischen Institutionen in der Schweiz werden Aromapflege und/oder Aromatherapie angeboten. Regula Rudolf von Rohr, Fachfrau für Aromapflege und psychiatrische Aromatherapie in den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, im Interview.

Regula Rudolf von Rohr

Regula Rudolf von Rohr

Regula Rudolf von Rohr ist Fachfrau für Aromapflege und psychiatrische Aromatherapie in den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. Dort hat sie vor vielen Jahren die Aromapflege eingeführt und die psychiatrische Aromatherapie in den medizinisch therapeutischen Diensten etabliert. Sie ist Präsidentin des Vereins Psycharoma und zudem als Referentin, u.a. an der farfalla-Akademie, tätig.

 

Wie kann Aromatherapie Menschen in psychischen Krisen helfen?

Ein Duft hat einen direkten Zugang zu unseren Gefühlen. So ist es möglich, sehr schnell und unkompliziert auf die Emotionen einzuwirken, unmittelbar schöne Gefühle auszulösen, Spannungen zu regulieren oder zu fokussieren. Aromatherapie ist ein einfaches Mittel, um auf die psychische Befindlichkeit einzuwirken.

 

Wie wird Aromatherapie bei Ihnen in den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) angewendet? 

Auf der Haut und vor allem auch inhalativ, das heisst durch das Riechen an einem Riechstreifen oder Riechstift, oder an einem nahe platzierten Duftstein. Hautanwendungen wie Einreibungen werden hauptsächlich als sogenannte angeleitete Selbstanwendungen angeboten. Dann gibt es auch Fussbäder und Vollbäder, die aber in der Tagesstruktur etabliert werden müssen. Einen Fokus legen wir auch auf mobile Anwendungen wie Roll-ons, die schnell zur Hand und über Haut und Nase erlebbar sind.

 

Unterscheiden sich die Anwendungen bei verschiedenen psychischen Erkrankungen (z. B. Depression, Angststörungen, Suchterkrankungen)?

Ja, da gibt es tatsächlich Unterschiede. Menschen mit depressiven Erkrankungen sprechen besser auf niedrige Dosierungen an, zu starke Düfte bedeuten eher eine Überforderung. Bei Klient*innen mit hohem Spannungspotenzial empfehlen sich eher Hautanwendungen bei höheren Dosierungen von bis zu drei Prozent. 

 

Welche ätherischen Öle werden am häufigsten in der Behandlung psychiatrischer Klient*innen
eingesetzt und warum?

Zitrusdüfte sind sehr wichtig, wobei auch nicht alle Menschen sie gleich gern haben. Es braucht aber auch Down-Düfte. Süsse Komponenten wie Tonka oder Benzoe sind bedeutsam, ebenso haben Kräuter wie Lavendel und Majoran einen hohen Stellenwert.
Bei den Baumölen beginnen wir mit Fichtennadel, die Atlaszeder ist in dieser Kategorie ein wichtiger Folgeduft.

 

Spielen die Vorlieben der Klient*innen bei der Auswahl der ätherischen Öle auch eine Rolle?

Sogar die Hauptrolle! Ich als Fachperson treffe eine Vorauswahl an Düften basierend auf meiner Expertise, und der/die Klient*in wählt aufgrund seiner/ihrer Riechwahrnehmung aus, welchen Duft er/sie nutzen möchte.

 

Welche Rückmeldungen zur Aromatherapie erhalten Sie von Klient*innen?

Sehr viele positive Rückmeldungen. Menschen, die mit Düften etwas anfangen können, sind sehr dankbar für diese Möglichkeit, da sie sehr persönlich und individuell ist. Bei manchen Menschen geht ein Türchen zur Selbstfürsorge auf, was sehr schwierig ist in dieser Situation. Natürlich gibt es auch Klient*innen, die sagen, dass sie keine Wirkung erleben. Dann geht es darum, zu lernen, einem angenehmen Gefühl Raum und vor allem Wert zu geben. Wenn das gelingt, bemerken sie, wie schön es sein kann, sich in der Situation der Hospitalisierung – und auch später – etwas Gutes zu tun. Der Schwerpunkt der aromatherapeutischen Arbeit liegt dabei auf der Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit.

 

Wie unterscheidet sich die Aromatherapie in einem psychiatrischen Klinikum von anderen Spitälern?

Somatische Spitäler sind ausgerichtet auf klare Symptome. Häufig kann die Wirkung gemessen oder beurteilt werden. Einen Blutdruck kann man messen oder eine Wundpflege beurteilen. Im psychiatrischen Setting sind die Ergebnisse so nicht messbar. Es geht um das Wahrnehmen in der Krise, und um die Erfahrung von Selbstwirksamkeit. Die Bewertung erfolgt von den Klient*innen selber.

 

Was ist mit Selbstwirksamkeit genau gemeint?

Es geht darum, bewusst wahrzunehmen, was einem guttut, und dies dann gezielt anzuwenden. Dies kann man stärken und üben. Die ätherischen Öle eignen sich sehr gut dafür, weil der Effekt schnell eintritt und die Klient*innen damit eigenverantwortlich arbeiten können. Dadurch entdecken und stärken sie ihre Selbstwirksamkeit.

 

Wir danken Regula Rudolf von Rohr für das Interview.

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